Worum geht es in Ihrem neuen Roman «Lázár»?
«Lázár» beginnt mit einem Kind mit gläsern-durchsichtiger Haut, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem ungarischen Schloss hinter einem fast märchenhaften Wald geboren wird, und folgt seiner adligen Familie über mehrere Generationen durch die Strudel und Umwälzungen der damaligen Zeit.
Was hat Sie dazu bewegt, diese Geschichte zu schreiben?
Die Geschichte war immer Teil von mir. Sie war in den gedrechselten Möbeln, dem Silberbesteck, den Gemälden meiner Vorfahren, die mich in der einfachen Wohnung meiner Grossmutter umgaben. Und sie war in den Geschichten, die sie wie all diese Gegenstände aus ihrem alten, aristokratischen Leben in die Gegenwart gerettet hatte.
Ihre Familie hat Wurzeln im ungarischen Adel. Wie hat dieser persönliche Bezug die Geschichte – und vielleicht auch Ihre Recherche – geprägt?
Der persönliche Bezug hat das Schreiben und die Recherche viel intensiver gemacht. Mein Grossonkel konnte mir konkret erzählen, wie das damalige Leben war, konnte mir die Orte zeigen, über die ich schrieb, das Schloss, in dem er aufgewachsen war, und das Palais in Budapest, das die Kommunisten der Familie genommen hatten.
Der Roman folgt einer Familie über Generationen. Was waren die Herausforderungen beim Schreiben dieser Saga?
Die größte Herausforderung bestand darin, den teilweise sehr schweren Themen und Traumata gerecht zu werden: der Erfahrung der Flucht, der Enteignung, dem Zerfall der Welt, wie man sie kannte. Und natürlich musste ich mich an die Zeit, über die ich schrieb, herantasten. Ich musste recherchieren, wohin man damals telefonieren konnte, wie die ungarischen Zeitungen hießen, was man ass und wie die Menschen in die Schweiz flohen.
Sie sind 22 Jahre jung und veröffentlichen mit «Lázár» bereits Ihren zweiten Roman. Was hat Sie zum Schreiben gebracht?
Ich habe schon früh sehr viel und gerne gelesen. Das Eintauchen in andere Leben und Welten hat mich fasziniert. Als ich begonnen habe, selbst zu schreiben, habe ich gemerkt, dass diese Erfahrung dadurch noch intensiver ist. Ich habe mit diesen Figuren gelebt, habe sie begleitet und beobachtet, mit ihnen gelitten und geliebt.
Wie hat sich Ihre Herangehensweise an ein neues Buch über die verschiedenen Projekte verändert?
Ich gehe an jeden Text mit grosser Ernsthaftigkeit heran. Ich frage mich konkret, wie ich eine Geschichte erzählen möchte, und natürlich, ob es überhaupt die richtige Geschichte für mich ist. Ein festes Muster habe ich dabei aber nicht, der Beginn ist immer wieder unglaublich schwierig.
Sie haben eine Leidenschaft für Filme. Wie wirkt sich das auf Ihren Schreibstil aus?
Ich schreibe sehr bildlich, gehe vor wie ein Regisseur, der die Welt vor der Kamera erschaffen muss. Ich beschreibe die Räume, den Himmel, die Bäume und das Licht. Ich schreibe den Figuren Eigenschaften, Ängste und Träume auf den Körper. Wenn ich das erstmal habe, ergibt sich die Handlung oft wie von selbst.
Mit dem Erfolg steigen auch die Erwartungen an zukünftige Werke. Wie gehen Sie damit um?
Während des Schreibens versuche ich diese ganzen Gedanken völlig zu verdrängen, was mir in der Regel zum Glück gelingt.
Was braucht es, um Ihre Karriere als Autor und Ihr Studium unter einen Hut zu bringen?
Wenn ich nur schreibe, geht das gut, das Studium fällt mir leicht. Und ich schreibe pro Tag auch nie mehr als drei Stunden, sodass ich auch noch genug Zeit für meine Freundinnen und Freunde, meine Familie und andere Bücher habe. Wie es sein wird, wenn ich auf Lesereise bin, weiß ich noch nicht.
Als junger Autor in einem traditionsreichen Literaturbetrieb: Wie erleben Sie die literarische Szene – eher offen oder eher skeptisch gegenüber neuen Stimmen?
Bisher nur offen und sehr positiv.
Wo und wie schöpfen Sie neue kreative Energie?
Wenn ich ein Projekt abgeschlossen habe und nach etwas Neuem suche, bin ich sehr aufmerksam und aufnahmefähig. Dann kann mich eigentlich alles inspirieren: mitgehörte Gespräche, eine Geste, Zeitungsartikel. In dieser Phase lese ich auch sehr viel und schaue mir viele Filme an. Beides motiviert mich, ebenfalls etwas Neues zu erschaffen.
Welche Schriftsteller*innen inspirieren Sie?
Mein Lieblingsschriftsteller ist schon seit Jahren Christian Kracht. Mich inspirieren aber auch Thomas Mann, Camus, Frisch, Knausgård, Jonathan Franzen, Herta Müller, Mina Hava oder Kim de l’Horizon. Auch Schriftsteller*innen aus früheren Epochen faszinieren mich: Annette von Droste-Hülshoff, E.T.A Hoffmann und viele mehr. Die Liste ist natürlich endlos und wächst immer weiter.
Wo lesen Sie am liebsten?
In unserem Garten unter der grossen Lärche.
Welches Buch hat Sie zuletzt begeistert?
Ich habe eine Liste mit Büchern, die mich begeistert haben. Der letzte Eintrag ist «Die Überlebenden» von Alex Schulman. Ein berührendes und überraschendes Buch, das mich vor allem durch seine detaillierten Beschreibungen und seine besondere Erzählweise beeindruckt hat.
Was ist Ihr nächstes Ziel?
Viele Ziele, die in der Zukunft lagen, habe ich mit «Lázár» schon erreicht. Jetzt will ich einfach weiterschreiben.