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Wenn alte Verbrechen lange Schatten werfen
London, 1903. Zwei Frauen werden im Holloway-Gefängnis wegen Babymordes gehängt. Dreißig Jahre später soll Josephine Tey einen Roman über die Täterinnen schreiben. Als zeitgleich mehrere junge Frauen tot aufgefunden werden, wird Inspector Archie Penrose' Misstrauen geweckt. Es beginnt die Suche nach einem bösartigen Mörder, der die Vergangenheit nicht ruhen lässt.
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Autorentext
Nicola Upson wurde 1970 in Suffolk, England, geboren und studierte Anglistik in Cambridge. Ihr Debüt Experte in Sachen Mord bildet den Auftakt der erfolgreichen, mehrbändigen Krimireihe. Bei deren Hauptfigur Josephine Tey handelt es sich um eine der bekanntesten Krimiautorinnen des Britischen Golden Age. Mit dem Schnee kommt der Tod war nominiert für den CWA Historical Dagger Prize (2021). Nicola Upson lebt in Cambridge und Cornwall.
Anna-Christin Kramer, geboren 1987, übersetzt seit zehn Jahren Literatur aus dem Englischen. Für Kein & Aber hat sie Nicola Upson, Kevin Kwan, Mason Currey u.a. ins Deutsche übertragen.
Klappentext
Wenn alte Verbrechen lange Schatten werfen London, 1903. Zwei Frauen werden im Holloway-Gefängnis wegen Babymordes gehängt. Dreißig Jahre später soll Josephine Tey einen Roman über die Täterinnen schreiben. Als zeitgleich mehrere junge Frauen tot aufgefunden werden, wird Inspector Archie Penrose' Misstrauen geweckt. Es beginnt die Suche nach einem bösartigen Mörder, der die Vergangenheit nicht ruhen lässt.
Leseprobe
(ohne Titel)
von Josephine Tey
Erster Entwurf
Gefängnis Holloway, Dienstag, 3. Februar 1903
Dann kam der eiskalte Morgen, wurde unerbittlich zum Tag, sosehr Celia Bannerman ihn auch davon abhalten wollte. Sie sah zu den zwei Reihen winziger Fenster oben in der Mauer hinauf und fragte sich, weshalb jemand beim Bau dieses elenden, widerwärtigen Lochs noch Wert auf Tageslicht gelegt hatte. Zum Hinausschauen waren die kleinen Scheiben jedenfalls nicht gedacht, selbst wenn sie nicht blind vor Schmutz gewesen wären, dazu waren sie viel zu weit oben. So sammelte sich nun der Ruß von der Camden Road Schicht um Schicht auf dem Glas und trennte die Insassinnen damit noch mehr vom Leben, das dort draußen ohne sie weiterging. Es war drückend in der Zelle, die Luft stickig, und da es kaum natürliches Licht gab, brannte Tag und Nacht eine Lampe, verweigerte der Gefangenen auch noch den winzigen Trost, wenigstens im Dunkeln für sich zu sein. Wie so vieles andere im Gefängnisalltag war auch diese Beleuchtung ein Kompromiss, es war niemals wirklich hell oder richtig dunkel. Ob man sich wohl von dem gedämpften Licht auch eine gedämpfte Gefühlswelt der Insassinnen versprach, keine Ausfälle, bessere Kontrolle?
Schatten huschten über die vertraute Zellenausstattung: den hölzernen Waschtisch mit dem lächerlich kleinen Stück Harzseife, dem schmutzstarrenden Lappen, für die Reinigung von sowohl Tasse als auch Nachttopf, das Eckregal mit der Bibel für diejenigen, die tatsächlich noch Trost darin zu finden vermochten, über den Emailleteller und das Messer aus billigem Blech, stumpf wie ein Stück Pappe, und schließlich über das niedrige schwarze Bettgestell, das in der knapp acht Quadratmeter großen Zelle den meisten Platz einnahm. Die Frau darauf lag mit dem Gesicht zur Wand, doch Celia wusste, dass sie nicht schlief. Wie immer beim Gedanken an das, was ihnen bevorstand, krampfte sich alles in ihr zusammen. Einen Augenblick lang war sie wieder Kind, lag morgens im Bett, die Decke über den Kopf gezogen, und betete inständig, die Zeit möge stillstehen und sie vor dem Tag bewahren. Ihre Angst hatte sich damals fast unerträglich angefühlt, doch es waren Lappalien, die sie da beschäftigt hatten, im Vergleich zu dem, was Amelia Sach in den letzten Stunden vor ihrem Tod durchleben musste. Celia stand leise auf und ging zur hinteren Zellenwand, wo ein robuster, dunkelblauer Umhang an einem Haken hing, bewusst nur auf halber Höhe, damit auch ja niemand auf die Idee kam, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Celia hob den Saum vom staubigen Boden und versuchte, den groben Stoff mit der Hand etwas zu glätten. Es war vergebliche Liebesmüh, doch sie wollte keine Gelegenheit einer freundlichen Geste ungenutzt verstreichen lassen, und sei sie auch noch so klein. Während der drei Wochen zwischen Verurteilung und Hinrichtung war Sach stets von zwei Frauen bewacht worden. Erst waren sie einander noch fremd gewesen, im Laufe der Zeit wurden sie jedoch zu Verbündeten, fast Freundinnen. Es bestand eine ungewöhnlich starke Bindung zwischen Aufseherin und Insassin: Während der achtstündigen Schichten teilte Celia jede Sekunde Sachs elender Existenz, sah ihr zu, wie sie sich wusch und anzog, aß und weinte, lernte ihre Gewohnheiten und Vorlieben kennen wie die eines Gatten in den ersten Ehetagen. Sie hatte mit Sach gelebt, und nun würde sie sie zu ihrem Tod begleiten. Zwei Wärter waren aus einem anderen Gefängnis gekommen, für den Fall, dass die Hinrichtung ihren weiblichen Gegenstücken zu viel abverlangte, doch zwischen Celia und ihren Kolleginnen herrschte die unausgesprochene Entschlossenheit, die Sache bis zu ihrem bitteren Ende zu bringen. Nicht etwa aus Gleichstellungsprinzipien oder professionellem Stolz, und - wenn sie ehrlich war - nicht einmal, um der Gefangenen in ihren l